Das Ziel unserer Forschung war und ist die Aufspürung und
urkundengetreue Darstellung unserer Vorfahren während ihrer Lebenszeit
in unserer Heimat. Wir haben es in der Familienforschung nämlich
nur mit Fakten zu tun, die lange vor unserer Zeit
geschehen sind !
Wir müssen nur forschen und dürfen unser eigenes Wunschdenken
nicht als unser „Forschungsergebnis“ darstellen.
Wir vergleichen die Suche nach den Vorfahren gern mit der
Anatomie eines Menschen: Die Daten zur Person von Geburt, Taufe, Heirat
und Tod sind das „Knochengerüst“. Das Geschehen im Leben des Einzelnen
„formt das Erschei- nungsbild des Menschen“. Wir beginnen mit den Daten
von Geburt, Heirat und Tod. Doch dann folgt die Erforschung des Lebens
unseres Vorfahren: Es ist nämlich nicht so, dass es außer den
Kirchenbüchern über unsere Vorfahren nichts mehr gibt! Wir können
Urkunden finden, die Antworten geben auf unsere Fragen:
Wie war das Elternhaus?
Lebten sie in einer großen, kinderreichen Familie? Wieviele Kinder wurden
geboren? Und wie viele wurden erwachsen und gründeten einen neuen Zweig
der Familie?
Wo haben unsere Vorfahren gelebt?
Lebten sie als freie Bürger im Schutz einer ummauerten
Stadt? Oder als Bauern auf dem platten Land?
Wie verdienten sie den Lebensunterhalt?
Waren sie Bauern oder Taglöhner? Waren sie Handwerker:
Bäcker, Müller, Färber, Weber, Tuchscherer, Zimmermann? Radmacher? Fischer,
Gerber, Schmied, Wirt oder Torhüter? Wenn ein Vorfahre Ratsherr oder
Schöffe war, dann war er ein Meistbeerbter und damit gehörte er zur
örtlichen Oberschicht! Sicherlich können wir nicht alle gefundenen
Berufe hier aufzeigen und besprechen. Darum fragen wir weiter:
Wie starben sie? Starben sie an Seuchen? Oder bei
schweren Unfällen? Bei Bränden? In Kriegen? Nach Krankheiten, die heute
zu heilen wären? Wie viele von ihnen erreichten ein hohes Alter?
Wie waren zu ihrer Zeit die Lebensbedingungen?
Lebten sie im Frieden, oder im Krieg? Brannten Haus und
Hof ab? Wurden sie beraubt? Standen sie plötzlich durch
Fremdeinwirkungen vor dem Nichts? Mussten sie flüchten, Oder gaben sie
die Heimat auf und ließen sich zu den Soldaten anwerben? Wie erging es
den Witwen und Waisen? Verelendeten sie? Oder gelang ihnen ein
Neubeginn? Oder lebten sie noch nach Jahrzehnten in den Trümmern ihrer
einstigen Habe?
Welche Ereignisse beeinflussten schicksalhaft ihr
Dasein?
Im Wassenberger Land wirkte sehr früh die Reformation (1520).
Waren unsere Vorfahren dem Protestantismus zugeneigt? Sind sie bei dieser
neuen Form des christlichen Glaubens geblieben? Wurden sie deshalb
verfolgt? Verjagt? Wurde Kopfgeld auf sie ausgesetzt?
Die Kinder der Reformierten mussten zur Schule gehen, damit
sie selbst die Heilige Schrift lesen konnten. Das Schreiben und Rechnen
gehörte auch zu ihrer Schulbildung. Diese in der Schule erlernten
Fähigkeiten führten die Söhne oft in den Kaufmannsberuf. Auch dafür
gibt es heute schon gewissenhaft recherchierte Literatur. Etliche
studierten Theologie in Herborn, in Wittenberg, in Zürich, in London. Sie
kehrten heim mit einer Weltoffenheit.
Erst wenn wir möglichst viele Begebenheiten zusammengetragen
haben, dann bekommen wir ein richtiges Bild von unseren Vorfahren!
Selbst über ihren Charakter können wir Hinweise finden: Die
entnehmen wir erstlich den Gerichtsakten. Da lesen wir von
nachbarlichen Streitereien,
von übler Nachrede, von Raufereien, Diebereien, von
Gewalttaten: Mord und Totschlag, ja sogar von Hexenprozessen. Da sind
die Zeugenaussagen oft ein Hinweis auf den Charakter. (Sie enthalten zu
unserer Freude auch die Altersangabe des Zeugen und seine persönliche
Verbindung zum Kläger oder zum Beklagten. Und das lange vor der
Kirchbuchzeit!)
Eine Studienstiftung ist ein Ergebnis edler Denkungsart –
und eines beachtlichen Vermögens! Anniversarien hingegen zeigen ein
Ruhen im katholischen Glauben, ein Vertrauen auf die Hilfe der
Heiligen für die Verstorbenen der Familie. Alles das finden wir über
unsere Vorfahren.
Wir forschen im Heinsberger Land. Das Land ist flach und
war bis zur Melioration feucht. Das war keine gesunde Gegend. Man
denke nur an die Mückenschwärme, die Menschen und Tiere stachen und
quälten! Doch das Heinsberger Land ist Heimat. Hier wurden (fast)
alle geboren, die vor uns im Leben waren. Darum müssen wir die
Geschichte unserer Heimat kennen- lernen! Sonst mangelt es uns
alsbald am Verständnis für das Geschehene. Auch unsere Landschaft
müssen wir mit Sorgfalt studieren. Wer die Namen der Fluren nicht
kennt, kann den Wohnplatz seinem Vorfahren nicht zuordnen, den Flecken Erde
nicht als die gewesene Heimat betrachten, die der Vorfahre im seinem Leben
liebevoll besät und geerntet hat. Das Land, das er kaufte oder verkauft hat,
das er erbte oder benachteten = pfänden ließ. Oftmals war eine Erbschaft
der Grund zu einem Ortswechsel für unseren Vorfahren in unsere Heimat. Zur
Zeit der Industrialisierung war die Not oft die Ursache, die Heimat zu
verlassen. Zu viele Kinder hatten die Heimaterde in viel zu kleine
Parzellen geteilt, die sie nicht mehr ernährten, denn die Kinder eines
Elternpaaren erbten alle zu gleichen Teilen.
All’ das zu finden macht auf dem Wege zu unseren Vorfahren
am meisten Freude.
Vor 1798 waren die Menschen im Heinsberger Land überwiegend
Bauern. Sie bestellten ihre Felder, hielten Vieh, säten und ernteten,
beteten um Regen oder um Sonnenschein, fürchteten den Krieg, die Seuchen
bei Mensch und Tier genau so wie Blitz, Sturm und Unwetter. Sie waren
gute Christen und gingen, wenn nötig, weite Wege zur Kirche, zum
Beispiel von Laffeld nach Heinsberg!
Sie lebten vom Brot aus ihrem Korn, erzeugten das Futter für
ihr Vieh, hatten zeitweise Milch und Eier. Sie hielten, je nach
Größe ihres Hofes Kühe, Schweine, Ziegen, Schafe, Enten, Gänse,
Hühner, auch Tauben, einen guten Wachhund und etliche gut mausende
Katzen. Sie pflegten ihre großen Gärten und lebten von ihrem Gemüse und
dem Obst. (Kartoffel waren bis so um 1750 unbekannt). Gewürzpflanzen
wurden angepflanzt und Heilpflanzen gesammelt und getrocknet. Die Schafe
wurden geschoren. Die Frauen und Mädchen spannen die Schur zu Wolle und
strickten dann Strümpfe und Jacken, Schals, Mützen und Handschuhe
und große warme Umschlagtücher als Mantelersatz. Die Wolle wurde auch zum
Weben von Wolltuch genutzt für die Kleider und Röcke für Männer und
Frauen.
Daneben waren einige Bauern auch Korbflechter oder
Holzschuhmacher und verwerteten dafür die auf feuchten Böden
schnell wachsenden Weiden. Ihre Produkte, Körbe und Klompen, wurden in
jedem Haus gebraucht und ließen sich gut verkaufen.
Viele Bauern webten als Beschäftigung im Winter
Leinentuch für die Aussteuer der heranwachsenden Töchter und eventuell
auch schon für den Verkauf. Sie säten auf ihren Feldern den Flachs,
richteten ihn her und webten dann davon Leinentuch. Auch bestellten sie
einige Felder mit Krapp, Waid und Wau, den damals im Heinsberger
Land gebräuchlichen Färberpflanzen. Dabei ist Waid = isatis
tinctoria die meist angebaute Staude für die Blaufärbung von Stoffen,
vornehmlich für die Arbeitskleidung. Waid ist schon im „Capitulare de
villis“ Karls des Großen genannt. Wau ist ein Ausdruck aus dem
Niederländischen, auch bei uns gebraucht für reseda luteola. Damit wurde
gelb gefärbt. (Aber gelbes Tuch wurde schnell schmutzig. Darum war
diese Farbe nicht so beliebt.) Krapp = rubia tinctorium wurde auch
Färberröte genannt. So wurde auch die Farbe für die Tuchfärbung auf dem
eigenem Land angebaut.
Unsere bäuerlichen Vorfahren rodeten Wald - und Buschflächen
für Weiden und Äcker. Sie schachteten Entwässerungsgräben aus. Sie
gruben, wo es möglich war, nach Mergel zum Düngen, und nach Ton für
Ziegel und Dachpfannen. Sand und Kies wurde genutzt zum Befestigen
von Wegen .
In Gegenden unserer Heimat mit viel Heide wurden Bienen
gehalten. Die sorgten für Honig. Der süßte den täglichen Milchbrei.
Honig war ein gutes Heil - mittel gegen Husten und Schlaflosigkeit.
Honigpflaster reinigten die Wunden. Das Wachs der Bienen wurde zu
Altarkerzen für die Kirche verarbeitet. Der Wachszins ist über
Jahrhunderte in den Abgabenlisten der Kirchen notiert. So lernen wir
auch die Imker unter unseren Vorfahren kennen.
Einige von ihnen verstanden sich auch auf das Veredeln von
jungen Obstbäumen mit ertragreichen Obstsorten. Sie legten dafür
Baumgärten an, nach denen ihre Nachkommen heute Bongarts heißen.
Die Lebensumstände unserer Vorfahren waren zumeist dürftig.
Das Trinkwasser musste mit schweren Holzeimern ins Haus getragen werden.
In der Küche hing die Hael, eine sägeähnliche Eisenkonstruktion, über
dem offenen Feuer mit dem Kochtopf. Die Toilette war im Stall. Oft
war es nur ein Balken zum Sitzen bei den Tieren. Gebadet wurde „in de
Bütt“ in der Küche. Die Kinder kamen jeweils hintereinander in dasselbe
Wasser. Dann wurde die Wäsche noch darin eingeweicht und gewaschen. Klar
gespült wurde die Wäsche im Bach, auch im Winter. Der Weg zum Arzt war
meistens weit und die Behandlung teuer. Deshalb wurde der Arzt erst
gerufen, wenn der Tod nah und es für die Patienten fast zu spät war!
Zähne wurden mit Gewalt und ohne Betäubung gezogen – wenn man von einem
Schnaps als Betäubung absieht. Ein Mann hielt den Kopf fest. Dann kam ein
anderer mit der Zange! Als Hebamme fungierte die Nachbarin. Ob die
überhaupt, bevor sie zu der Gebärenden kam, ans Händewaschen gedacht hat?
Jedenfalls starben viele Frauen im Kindbett.
Beeinflusst wurde das ganze Leben der Vorfahren oft
genug von völlig unerwarteten Geschehnissen: Überfälle durch
marodierende Soldaten. Durchzüge von Truppen, die sofort Verpflegung
verlangten, und mit dem Anzünden des Hofes drohten, wenn sie nicht ganz
schnell den Ochsen am Spieß braten konnten. Sie fingen die Hühner ein und
brieten sie. Alles Geld musste hergegeben werden, damit das Dach
über dem Kopf nicht in Brand gesteckt wurde. Die Pferde nahmen sie
auch sofort mit – sofern unsere Vorfahren überhaupt welche hatten! In
einem Dorf wurden nachweislich oft nur 3 , 4 Pferde gehalten. laut
Pferdelisten! (Den Pflug zogen Kühe oder Hunde). Viel Schaden machten
auch die Kriegszüge des eigenen Herren. Der zog mit seinen Mannen mitten
durchs reife Korn und trampelte alles nieder. Für die Städter gab es bei
Beschießungen keinen Schutz, denn wegen der Bodenfeuchtigkeit hatte fast
niemand einen Keller zum Schutz. Ein „Feuerrohr“, ein Gewehr, war ein
kostbarer Besitz als Schutz gegen ungebetene Gäste auf einsamen
Höfen. Und „Lastenausgleich“ nach Kriegsschäden an Leib und Leben, Hab und
Gut gab es auch damals nicht. Auf demütige Bitten erließ der Herzog
„aus gnädiglicher Mildichheit“ für ein Jahr die Steuern.
Ganz wenige unserer katholischen Vorfahren – und nur
Jungen! besuchten die Schulen. Die Söhne aus wohlhabenden Familien
besuchten die Schule zumeist in der elterlichen Hoffnung, ein
geistlicher Herr zu werden!
Reiche Erblasser stifteten große Beträge als
Studienstiftung für die Söhne der Familie und deren Nachkommen „auf
ewigen Zeiten“. Diese Stiftungen sind mit ihren Stammfolgen heute ein
sicherer Hinweis auf die Abstammung von diesen Vorfahren. (Doch Vorsicht
bitte! Nur die anerkannten Schüler konnten ihre Abstammung vom Stifter
beweisen. Nicht jeder Antragsteller konnte den Beweis erbringen und wurde
der Studienstiftung teilhaftig!)
Das Geld verlor auch damals schon seinen Wert in
Geldabwertungen.
Das zeigen die Anniversarien. Hier mussten nach solchen
Ereignissen mehrere Stiftungen zusammengefasst werden, weil die alte
Stiftungssumme für die Stiftung nicht mehr ausreichte.
Die meisten Dokumente finden sich im Hauptstaatsarchiv
Düsseldorf.
Dort fanden wir auch die „Copia der verpachtongen des Hoiffs Scherpenseel“
die den bisher ältesten Hinweis auf den ersten „ Pawel
Kruckelen Sohn und Johannen seinen Broder“ gibt, die „von Herrn Johann
von Loen Herr zo Heinsberg zu Lewenberg und zo Gennepe“ den Hof zu
Scherpenseel erblich pachteten.
Die Urkunde wurde am 20.
Mai 1419 geschrieben und enthält alle Bedingungen für die erbliche
Verpachtung des 200 alte Morgen großen Hofes. Wir bringen hier die
Ablichtung als Beweis für unseren Fund im Hauptstaatsarchiv Düssel- dorf
(Jülich-Berg Rechnungen Heinsberg 174 fol. 382).